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Über Metaphern

und warum sie die Welt (vielleicht) schlechter machen, als sie sein könnte

von Mathias Röckel

Besserwisserei aus der Zukunft sei ein „billiges Vergnügen“, schreibt Joachim Radkau in dem Buch, das ich gerade lese und wahrscheinlich hat er Recht, aber wenn ich „billig“ höre, kann ich nun mal nicht anders. Außerdem verfolge ich mit diesem Text ein, in diesen so unversöhnlich scheinenden Zeiten, wichtiges Ziel: Ich möchte eine Brücke schlagen zwischen „uns“ und „denen“.

Fangen wir mit dem billigen Vergnügen an.

  • Da wäre das 17. Jahrhundert, als Rationalisten wie Descartes oder Leibniz die Natur als ein seelenloses Zusammenspiel passiver Teilchen darstellten. Druck und Gegendruck, Ursache und Wirkung. Der Lauf der Welt ist determiniert, alles – inklusive der Tiere (aber exklusive der Menschheit) – folgt den Regeln der Mechanik.
     
  • Da wäre das 19. Jahrhundert, als Welt und Mensch mit dem Vokabular der Industrialisierung erklärt und Vorgänge in Organismen mit Vorgängen in Dampfmaschinen erklärt wurden, was unser Sprechen bis heute prägt, wenn wir unserem Körper beispielsweise Brennstoffe zuführen, die wir in Kilojoule messen.
     
  • Da wäre das 19. Jahrhundert, in dem das menschliche Nervensystem mit den frisch verlegten Telegrafenleitungen verglichen wird, das über verschiedene Leitungen und Stationen Nachrichten sendet oder empfängt.

So verfügt jedes Zeitalter über seine Leitmetaphern und so muss sich jede Generation daran messen, wie treffend ihre Metaphern sind – und wie diese vielleicht nicht nur dazu dienen, die Welt zu beschreiben, sondern auch zu verändern.

Die Leitmetapher im Zeitalter der Digitalisierung ist die Digitalisierung

So ist das in unserer Gegenwart und dagegen habe ich auch gar nichts einzuwenden. Ich selbst nutze das Wochenende auch gerne dazu, „meinen Akku aufzuladen“. Und wenn „die Festplatte voll ist“, ruft mich besser niemand an.

Allerdings glaube ich auch, dass wir besser aufpassen und einen einfachen Fehler vermeiden sollten, der, so meine Befürchtung, viel dazu beiträgt, dass die Welt schlechter ist, als sie sein könnte. Ich fürchte nämlich, das Denken im binären System wird oft falsch verwendet. Ich denke, wenn sich Konflikte immer weiter zuspitzen, liegt das – auch – daran, dass wir es uns angewöhnt haben, die Welt anhand von Einsen und Nullen zu erklären.

Dafür oder dagegen. Wir oder die. An oder aus. Austreten oder bleiben. Null oder Eins. Ich bin gegen Volksabstimmungen. Nicht, weil ich mich vor direkter Demokratie fürchte (was ich sehr wohl tue), sondern weil mich die Polarisierung ärgert. Werde ich zu einem Volksentscheid eingeladen und lese die Frage, denke ich immer das Gleiche: So einfach ist das alles nicht. Werde ich gefragt, ob ich dafür oder dagegen bin, sage ich darum: weder noch.

Dennoch, so meine Wahrnehmung, läuft es immer öfter genau darauf hinaus, dass wir solche Entscheidungen treffen sollen. Ob ich mit meiner Wahrnehmung richtig liege? Ob das Problem wirklich mit der Digitalisierung zusammenhängt? Ob nicht andere Ursachen wichtiger sind? Vielleicht machen sich künftige Generationen das Vergnügen, solche Fragen zu beantworten, man wird sehen.

Nicht das binäre System ist das Problem

Was jedoch schon heute klar ist: Falls wir mit unserer polarisierenden Weltsicht die Dinge gefährlich vereinfachen, wäre nicht das binäre System schuld. Schuld wäre unsere Anwendung, schuld wäre unser Unvermögen, über Eins oder Null hinaus zu denken. Denn das binäre System zerlegt die Welt ja nicht in Einsen und Nullen, sondern in Abfolgen von Einsen und Nullen.

Anders gesagt: Legt man mir einen Entscheidungsbaum in die Wahlkabine samt der Möglichkeit, die zur Entscheidung stehende Frage in „Ja, aber“ und „Wenn, dann“ zu zerlegen, verbrächte ich vielleicht mal einen ganzen Sonntag dort.

Damit ist dann auch schon das Ziel dieses Texts genannt. Mein Wunsch ist es: Lasst uns die Welt nicht in Probleme zerlegen, auf die es zwei, sondern auf die es zwei hoch n Antworten gibt. Lasst uns aufhören, „uns selbst“ als Einsen zu betrachten und „die anderen“ als Nullen.

Wer mag, kann jetzt aufhören zu lesen. Wer mag, kann noch dranbleiben und lesen, wie wenig ich über Quantencomputer weiß.

Ausblick: Quantencomputer und sich überlagernde Zustände

Justin Trudeau, Kanadas Premierminister, kann sehr gut erklären, was an Quantencomputern so „exciting“ ist.

Quantencomputer wirken sich auf die Informationstechnik aus: So können sie unter anderem mit weniger Kapazitäten mehr Berechnungen durchführen, was nicht nur die Quantität, sondern auch auf die Qualität der Ergebnisse verändert.

„Don’t get me going on this, or we’ll be here all day”, sagt Trudeau in dem Video und dem schließe ich mich gerne an. Was allerdings bei mir nicht daran liegt, dass ich den ganzen Tag über Quantencomputer reden könnte. Bei mir ist es eher so: Ich könnte den ganzen Tag damit verbringen, die Grundlagen verstehen zu wollen und müsste am nächsten Tag trotzdem wieder von vorne anfangen.

Was ich allerdings verstanden zu haben glaube, ist, dass die den sich überlagernden Zuständen. Superposition. Anders als bei herkömmlichen Computern, bei denen Bits immer genau einen Zustand haben, können die Dinger bei Quantencomputern (da heißen die kleinstmöglichen Speichereinheiten Qubits) mehrere Zustände gleichzeitig haben.

Das wiederum ist eine Eigenschaft, die ich für sehr menschlich halte. Gleichzeitig traurig sein und froh. Etwas nicht wollen und es trotzdem tun oder etwas wollen und es trotzdem nicht tun. Widersprüche oder gar Paradoxien erkennen, hinnehmen und trotzdem weitermachen. Sich beim Gruseln wohl fühlen und beim Wohlfühlen gruseln.

Kennen wir alle, finden wir alle menschlich, möchte wohl niemand missen, liegt, im Moment, jenseits der Reichweite der Digitalisierungsmetapher (oder fällt mir einfach keine ein?) – und zeigt, dass wir beim Versuch, uns die Welt anhand unseres wissenschaftlichen Kenntnisstands im Alltag zu erklären, noch lange nicht am Ende sind.

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